Teil II: Diskursanalyse
6. Aufteilung der Diskursakteure nach ihrer Präferenz im Hinblick auf die Opposition ‘Taraškevica vs
6.1. Anhänger des ‘Eine-Standardvarietät-Modells’
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Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Aufteilung der Sprecher hinsichtlich der Sprachkompetenz bei Weisgerber, auf die Lösener (2000, 201) aufmerksam macht: So gehören Dichter bei Weisgerber zu den ‘Sprachmächtigen’ und befinden sich auf der Höchststufe der hierarchischen Leiter der sprachlichen Kompetenz, also über den so genannten
‘Sprachgeformten’ und ‘Sprachgebildeten’. Die „dichterische Potenz“ erwachse wie der Spracherwerb selbst „aus einem Prozess geistiger Anpassung an ein vorgegebenes Weltbild“
(Lösener 2000, 202). Die Ansprüche an die ‘Sprachmächtigen’ seien jedoch im Vergleich zu den anderen Gruppen deutlich höher:
Für jeden Dichter gilt, daß er sich dem Gesetzt der Muttersprache in noch höherem Maße unterstellt, als der natürliche Gang der Spracherlernung es von jedem ohnehin erzwing. Erst durch die Stufen des Sprachgeformten und des Sprachgebildeten wird er zum Sprachmächtigen […], und das, was ihm an Sprachgewalt eignet, das hat er zuerst erarbeitet in einem unermüdlichen sich Hineinformen in das Weltbild der Muttersprache. (Weisgerber 1950, 192 f.)
Eine solche Graduierung der muttersprachlichen Kompetenz scheint auch bei Pacjupa vorhanden zu sein: diejenigen, die der Sprache ‘mächtiger’ seien, träten als Missionare auf, die die anderen ‘evangelisieren’ bzw. zur Sprache bekehren müssten. Pacjupa, der wohlgemerkt auch Dichter ist,144 mahnt dabei, dass auch die ‘Sprachmächtigsten’ ständig weiter lernen müssten (vgl. Bsp. (5.33)).
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Die Hauptargumente der Anhänger der Eine-Standardvarietät-Lösung bestehen dabei darin, dass die Existenz mehrerer konkurrierender Sprachformen die Gesellschaft zusätzlich spalte (s.
Bsp. (6.1)),145 die Existenz und die Entwicklung der belarussischen Sprache gefährde und somit zum Verfall und Prestigeverlust der belarussischen Sprache und Kultur beitrage (s. Bsp.
(6.2)-(6.4)). Außerdem erschwere die gleichzeitige Existenz mehrerer ‘Rechtschreibungen’
Kommunikation und wirke verwirrend auf die Sprachbenutzer und diejenigen, die die Sprache erst lernen wollten bzw. sie nur passiv verwenden, unter anderem, weil sie keine Möglichkeit zur Selbstkontrolle haben (s. Bsp. (6.2), (6.3), (6.5) und (6.6)).
(6.1) Чаму б проста шчыра не прызнаць – на сённяшні дзень існаванне двух правапісаў беларускай мовы немэтазгоднае, бо гэта ўносіць дадатковы разлад і ў так не вельмі згуртаваную беларускамоўную супольнасьць.146 (30.08.2007)
‘Warum können wir nicht einfach zugeben, dass die Existenz zweier Rechtschreibungen in der belarussischen Sprache heutzutage nicht zweckmäßig ist, denn sie spaltet die ohnehin nicht sonderlich innige belarussischsprachige Gesellschaft noch mehr.’
(6.2) Aўтар артыкулу мае рацыю: выкарыстанне двух (і болей) правапісаў абцяжарвае камунікацыю, распыляе сілы адраджэння і, такім чынам, замінае развіццю мовы. […]
Выснова адна: правапіс павінны быць АДЗІН.147 (30.08.2007)
‘Der Autor des Artikels hat recht: die Verwendung zweier (oder mehrerer) Rechtschreibungen erschwert die Kommunikation, verzettelt die Kräfte der [belarussischen]
Wiedergeburt und verhindert auf diese Weise die Entwicklung der Sprache… Der einzig mögliche Schluss daraus ist: es darf nur eine Rechtschreibung geben.’
(6.3) І ўсё ж, я лічу, меў рацыю мовазнаўца Пётра Садоўскі, калі казаў у нядаўнім інтэрвію радыё «Свабода», што галоўная небясьпека — у самым існаваньні двух узаконеных варыянтаў мовы. Працэс яе разбурэньня, выгнаньня амаль з усіх сфэраў дзейнасьці, які без таго зайшоў вельмі далёка, можа яшчэ больш паскорыцца, адштурхнуць ад роднай мовы тысячы звычайных людзей, асабліва маладых. Іх новыя правілы могуць дэзарыентаваць канчаткова. […] Мяне, як і тысячы іншых карыстальнікаў («юзэраў») цікавіць, каб можна было, не задумваючыся, заўсёды карыстацца адным і тым варыянтам. А мяне ўвесь час, можна сказаць, напружваюць — навязваюць то адно, то другое.148 (29.08.2007)
‘Und dennoch bin ich der Meinung, dass Pëtra Sadoŭski recht hatte, als er neulich in einem Interview für den Radiosender Svaboda sagte, dass die Hauptgefahr in der Existenz zweier legitimierter Varianten der [belarussischen] Sprache selbst bestehe. Der Prozess ihrer Zerstörung, ihrer Vertreibung aus fast allen Bereichen der Tätigkeit, der ohnehin sehr fortgeschritten ist, kann dadurch beschleunigt werden; das kann Tausende gewöhnliche Menschen (besonders die Jugend) von der Muttersprache abstoßen. Durch die neuen Regeln [= Taraškevica] können sie endgültig desorientiert werden… In meinem Interesse sowie im Interesse Tausender anderer Benutzer (‘User’) ist, dass man immer dieselbe Variante verwenden kann, ohne dabei lange nachdenken zu müssen. Ich werde aber die ganze Zeit strapaziert: mir wird mal das Eine, mal das Andere aufgedrängt.’
In (6.3) sieht der Sprecher die größte Gefahr in der Existenz der zwei ‘Sprachvarianten’; die Idee der sprachlichen Uniformität ist hier primär, so dass die Frage nach der Präferenz der Varietät irrelevant ist.
145 S. außerdem den Kommentar-Aufruf von V. Taras Para pryjs’ci da adnaho pravapisu ‘Es ist Zeit, zu einer einheitlichen Rechtschreibung zu kommen’ http://nn.by/index.php?c=ar&i=11136 (21.10.2017).
146 Ales' Jurkaviec http://nn.by/?c=ar&i=11177 (21.10.2017).
147 Скарына https://nn.by/?c=ar&i=11136#startcomments (23.12.2017).
148 V. Taras https://nn.by/?c=ar&i=11136 (23.12.2017).
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(6.4) Гэтая неўнармаванасць зніжае аўтарытэт мовы.149 (03.09.2007)
‘Diese Unnormiertheit schadet der Autorität der Sprache.’
(6.5) А что до меня, то мне для того, чтобы начать, важнее возможность самопроверки.150 (31.08.2007)
‘Was mich betrifft, ist die Möglichkeit einer [normativen] Selbstkontrolle für mich wichtiger, um zu beginnen [Belarussisch zu schreiben und zu sprechen].’
(6.6) Дело в том, что я много читаю на нем, но почти не пишу […]. И наличие разноголосицы вносит определенный дискомфорт.151 (31.08.2007)
‘Es handelt sich darum, dass ich viel auf Belarussisch lese, aber kaum schreibe… Und die vorhandenen Differenzen rufen einen gewissen Diskomfort hervor.’
Die oben dargestellten Bewertungen der standardsprachlichen Varianz sind auch unter Linguisten verbreitet und finden sich in zahlreichen Aufsätzen zur Sprachsituation in Belarus (s. Kapitel 4). Angesichts der Existenz zweier konkurrierender Traditionen innerhalb der belarussischen Sprache, die eine hohe Varianz und ‘Norminstabilität’ bewirken, wird die belarussische Sprache mit der Trasjanka (einer prestigearmen mündlichen belarussisch-russischen ‘Mischvarietät’; s. Unterkapitel 2.3) verglichen und entsprechend als pravapisnae trasjankamoŭe / правапіснае трасянкамоўе ‘Rechtschreib-Trasjanka’ bzw. trasjankapis / трасянкапіс ‘Trasjanka-Rechtschreibung’ bezeichnet:
(6.7) Тым часам правапіснае трасянкамоўе (або папросту трасянкапіс) – гэта патэнцыйная дыскрэдытацыя беларускамоўнай культуры і рэальная пагроза ейнаму разьвіцьцю.152 (25.07.2008)
‘Dennoch stellt die Rechtschreib-Trasjanka (oder Trasjanka-Rechtschreibung) eine potenzielle Diskreditierung der belarussischsprachigen Kultur und eine reale Gefahr für ihre weitere Entwicklung dar.’
Die Eine-Standardvarietät-Lösung wird dementsprechend als notwendige Voraussetzung für die Verbreitung der belarussischen Sprache unter der Bevölkerung (6.8) sowie für ihre Lebensfähigkeit und Widerstandsfähigkeit gegenüber anderen Sprachen und insbesondere gegenüber dem Russischen angesehen (s. Bsp. (6.9)-(6.11)):
(6.8) Таму, стварайце падзелы, калі хочаце каб беларуская мова так і засталася асабістым хобі некалькіх дзясяткаў тысяч чалавек. Але калі хочаце, каб яна стала мовай беларускага народу, яна павінна быць адзіная ды зразумелая […].153 (14.02.2013)
‘Wenn ihr wollt, dass die belarussische Sprache weiterhin ein Hobby einiger Tausend Menschen bleibt, könnt ihr weiter Teilungen schaffen. Wenn ihr wollt, dass Belarussisch die Sprache des belarussischen Volkes ist, muss es einheitlich und verständlich sein…’
(6.9) Выснова: Каб у выніку глябалізацыі мае ўнукі ня мусілі прымусова карыстацца кітайскае мовай як працоўнай, я згодны на аб'яднаньне тарашкевіцы з наркамаукай дзеля выжываньня беларускае мовы увогуле.154 (07.12.2008)
‘Schlussfolgerung: Damit meine Enkelkinder im Laufe der Globalisierung nicht gezwungen sind, die chinesische Sprache als Arbeitssprache zu verwenden, bin ich mit der Vereinigung
149 litz https://nn.by/?c=ar&i=11136 (23.12.2017).
150 andrey_rozum http://nasaniva.livejournal.com/6807.html (28.10.2017).
151 andrey_rozum http://nasaniva.livejournal.com/6807.html (28.10.2017).
152 P. Rudkoŭski https://nn.by/?c=ar&i=18631#startcomments (23.10.2017).
153 Васіль Шэлехаў http://nn.by/?c=ar&i=104892 (14.08.2013).
154 Бадзяга http://nn.by/index.php?c=ar&i=22044 (13.10.2014).
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der Taraškevica und Narkamaŭka einverstanden, auch für das Überleben der belarussischen Sprache generell.’
(6.10) Нам патрэбная візуальна адна беларуская мова. Адна для ўсіх — і для афіцыёзу, і для апазыцыі, і для школы, і для друку. Інакш вакол расейскага слана будзе ўвіхацца ды брахаць усё больш і ўсё драбнейшых мосек, і ўсё больш яны будуць «разьбірацца» не са сланом, а паміж сабою.155 (30.08.2007)
‘Wir brauchen visuell eine einzelne belarussische Sprache. Eine für alle: für den offiziellen Gebrauch, für die Opposition, für die Schule, für den Druck. Ansonsten werden um den russischen Elefanten mehrere kleine Hunde herumlaufen und bellen, und immer häufiger werden sie sich untereinander anlegen und nicht mit dem Elefanten.’
Im Beispiel (6.10) wird die Situation in Belarus anhand der Fabel von Krylov ‘Der Elefant und der Mops’ veranschaulicht. Dabei werden die beiden belarussischen Varietäten mit zwei Möpsen verglichen, die ohnehin einen unvergleichbar größeren und stärkeren Gegner – den Elefanten (die russische Sprache) ‘angreifen’ wollen. Während sie ihn anbellen, geraten sie immer wieder in Streit und verzetteln sich in einem ohnehin ungleichen Kampf.
(6.11) Таксама згодная, што можна было б на пэўны час табуяваць словы ‘наркамаўка’,
‘тарашкевіца’ – такая хітрасьць пазбавіць таго раздражняльнага чыньніка, які пачалі ўжо нават называць разьяднаньнем паводле правапісу. Сапраўды, хто ведае – зразумее, пра што ідзецца, а астатнія акурат будуць казаць пра белмову, маючы на ўвазе толькі тое, што гэта не расейская.156 (05.09.2007)
‘Ich stimme ebenfalls zu, dass man für eine gewisse Zeit die Wörter narkamaŭka und taraškevica tabuisieren sollte – dieser Trick wird den Reiz abschwächen, die Trennung entlang der Rechtschreibung (wie man das bereits nennt) herbeizuführen. In der Tat:
diejenigen, die sich auskennen, werden verstehen, um was es sich handelt, die anderen werden lediglich von der belarussischen Sprache sprechen und damit meinen, dass das nicht Russisch ist.’
In der Forderung der Sprachbenutzerin, die Namen ‘Taraškevica’ und ‘Narkamaŭka’ zu tabuisieren bzw. aus dem Verkehr zu ziehen, damit man in Zukunft von der belarussischen Sprache spricht, spiegelt sich die konstruktivistische Ansicht wider, die auch in der Sprachwissenschaft vertreten ist, und zwar dass ein Name bzw. die Lexik im Allgemeinen
„nicht etwa vorab existierende Dinge widerspiegelt, sondern Dingwelten kreiert, feststellt, abgrenzt und gliedert […].“ (Knobloch/Schaeder 1996, 9). So wie die Einführung eines Namens den Prozess der Hypostasierung in Gang setzen kann (s. Abschnitt 1.7.1 und Kapitel 2), kann nach Überzeugung der Sprecherin die Entfernung der Namen ‘Taraškevica’ und ‘Narkamaŭka’
aus dem Sprachgebrauch zu einer Verschmelzung der beiden Konzepte zu einer einzigen
‘belarussischen Sprache’ führen. Diese Strategie hätte außerdem einen weiteren Effekt, und zwar werde dadurch die für eine Bewertung erforderliche Wahlsituation aufgehoben (s.
Unterkapitel 1.5).
Die vier Gruppen, die für ei ne Standardvarietät plädieren, werden von der Idee der Einheitlichkeit geleitet, die Friedman (1997) als Gleichung ‘Einheitlichkeit = Stärke / Vielfalt
= Schwäche’ formuliert (s. Unterkapitel 1.8.2). Jedoch nimmt diese Idee eine unterschiedliche Stellung in der Wertehierarchie der betreffenden Gruppen ein. Während sie für die Gruppe 4) von höchster Priorität zu sein scheint (s. Bsp. (6.12) und (6.13); s. auch das Beispiel (6.3), in
155 S. Dubavec https://nn.by/?c=ar&i=11177#startcomments (28.12.2017).
156 Настасься Мацяш http://nasaniva.livejournal.com/8594.html (01.02.2020).
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dem explizit betont wird, dass die Existenz zweier legitimer ‘Varianten einer Sprache’ die Hauptgefahr für die Sprache darstelle), ist für die Gruppen 1), 2) und z.T. 3) vor allem wichtig, dass ‘ihre’ Varietät als die alleinige Standardvarietät fungiert (s. Bsp. (6.14)-(6.16)). Dies aber wäre nur auf Kosten der konkurrierenden Varietät zu erreichen.
(6.12) Будучыня за адзіным правапісам! Ня важна, за якім.157 (27.07.2008)
‘Die Zukunft liegt in einer Rechtschreibung. Und es ist nicht wichtig, welche [von den beiden] das sein wird.’
(6.13) Асабіста я прыняў бы любы варыянт (за выключэньнем, вядома, поўнай адмовы ад беларускай мовы), абы нарэшце перапынілася грызьня ў нацыянальных асяродках.158 (20.09.2007)
‘Ich persönlich würde jede Variante akzeptieren (abgesehen, selbstverständlich, von einem völligen Verzicht auf die belarussische Sprache); Hauptsache ist, dass die Streitereien in den nationalen Kreisen endlich aufhören.’
Die Vertreter der Gruppen 1) und 2) signalisieren im Vergleich zu den Vertretern der anderen Gruppen keine Kompromissbereitschaft. Für sie ist nicht nur die Idee der Einheitlichkeit / Uniformität wichtig, mindestens genauso wichtig ist für sie, dass ihre Varietät zum alleinigen Standard bestimmt wird (s. in diesem Zusammenhang auch Bsp. (7.133) und (7.134)).
(6.14) Только тарашкевица...nothing less nothing more159 (28.06.2010)
‘Nur die Taraškevica… nicht weniger und nicht mehr.’
(6.15) Толькі наркамаўка. Не ад добрага шмат мяккіх знакаў.160 (12.03.2013)
‘Nur die Narkamaŭka. Die vielen Weichheitszeichen [in der Taraškevica] sind nicht aus einem guten Grund da.’
(6.16) Вырашайся – карыстай СУЧАСНЫ правапіс і ПАТРАБУЙ таго ад астатніх.
Прыкметай сталай нацыі будзе ўвядзенне адказнасці за НАЎМЫСНАЕ СІСТЭМАТЫЧНАЕ парушэнне зацверджаных правілаў правапісу. Не трэба чакаць захадаў ад дзяржавы – гэта зараз могуць дастасоўваць адміністратары форумаў і ўладальнікі вэб-дзённікаў. АДЗІНЫ правапіс - АДЗІНАЯ нацыя.161 (30.08.2007)
‘Entscheide dich für die Verwendung der modernen Rechtschreibung [=Narkamaŭka] und verlange das von den anderen. Das Kennzeichen der Reife der Nation wird die Einführung der Strafbarkeit für die absichtliche und regelmäßige Verletzung der vorgeschriebenen Rechtschreibregeln sein. Man muss nicht warten, bis der Staat die entsprechenden Maßnahmen ergreift. Das können heutzutage Forenadministratoren und Besitzer der Web-Tagebücher machen. Eine Rechtschreibung – eine Nation.’
Auch bei Pacjupa lässt sich anhand des Beispiels (5.35) eine solche Einstellung beobachten:
wenn schon nicht die ‘wahre’ Taraškevica, dann besser eine Russifizierung oder Polonisierung.
Wie deutlich wird, korreliert die ‘Eine-Standardvarietät-Position’ oft mit der Auffassung, wonach eine Nation eine eigene Sprache, ein eigenes Territorium, eine Kultur usw. aufweise (s. Bsp. (6.16) und (6.17)). Diese Korrelation kann mit der Gleichung 3) von Friedman beschrieben werden (‘Nation = Sprache = Territorium = Staat’) oder mit dem ‘Topos aus der
157 Volat http://www.nn.by/index.php?c=ar&i=18631 (17.11.2013).
158 Aleś Jurkaviec http://nn.by/index.php?c=ar&i=11574 (17.11.2013).
159 Шалёны бярэзінец http://news.tut.by/politics/174824.html (23.12.2017).
160 Гомельгандальмаш https://m.nn.by/articles/104892/comments/page/4/ (02.02.2020).
161 Мэрыкан https://nn.by/?c=ar&i=11136 (28.12.2017).
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Definition’, der als erste Prämisse die Definition des Begriffs ‘Nation’ als eine ‘Völkergruppe, die über eigene Sprache, eigenes Territorium und eigene Staatlichkeit verfügt’, voraussetzt. Die Sprache wird dabei im Sinne von Irvine (1989) und Gal/Irvine (1995) als Größe gedeutet, die indexalisch auf das dazugehörende Volk verweist (s. Unterkapitel 1.2). Zugleich bildet die sprachliche Spaltung jene innerhalb der Bevölkerung ab, was als ein Fall für die diagrammatische Ikonizität angesehen werden kann (s. Unterkapitel 1.4). Die durch diese Spaltung verursachte Zerstörung der Sprache wird mit der Zerstörung der Nation gleichgesetzt.
(6.17) Тое, што з нашай мовай бяда – бачна не толькі аўтару допісу. У нармальнай, цывілізаванай краіне павінна быць і адна мова, і адна культура, і адзін... і адно... […]
Неапраўданыя паланізмы прыносяць шкоду ўсякай мове, а ў Беларусі стварэнне дзвюх моў (адна – для "выкшталцоных", а другая... для тых, хто ніякай мовы па-людску не ведае, а самае страшнае, што не хоча) – гэта увогуле трагедыя. Памятайма Францішка Багушэвіча "каб не ўмёрла"! […].162 (21.05.2013)
‘Dass sich unsere Sprache ein einem miserablen Zustand befindet, ist nicht nur dem Autor des Beitrags klar. Ein normales, zivilisiertes Land muss eine Sprache, eine Kultur, einen… , ein…. haben… Nicht zweckmäßige Polonismen schaden jeder Sprache, und die Schaffung zweier Sprachen in Belarus (einer – für ‘Gehobene’, und der anderen – für diejenigen, die keine Sprache richtig können und das Schlimmste: nicht können wollen) ist eine Tragödie.
Man darf [die Worte von] Francišak Bahušėvič nicht vergessen: [gebt unsere Sprache nicht auf], damit ihr nicht sterbt!..’163
Man muss allerdings einräumen, dass sich auch unter den Taraškevica- und den Narkamaŭka-Anhängern Sprachbenutzer befinden, die Kompromissbereitschaft signalisieren und ihre präferierte Variante für die Idee der (sprachlichen) Einheitlichkeit aufgeben würden:
(6.18) Правапіс мусіць быць адзін. Я, напрыклад, за наркамаўку. […] Але калі большасць выбера нейкі адзін варыянт (хоць лацінку), а падпарадкуюся грамадскай дыспцыпліне і далучуся да большасці.164 (30.09.2007)
‘Die Rechtschreibung muss einzig sein. Ich bin zum Beispiel für die Narkamaŭka… Aber wenn sich die Mehrheit für irgendeine Variante entscheiden würde (sogar für die Latinica), würde ich mich der gesellschaftlichen Disziplin unterordnen und der Mehrheit anschließen.’
Die Anhänger der Synthese-Varietät vertreten die Meinung, dass weder die Taraškevica noch die Narkamaŭka ‘vollkommen’ seien: Während man die Taraškevica nicht in allen Lebenssituationen bzw. in allen gesellschaftlichen Kreisen verwenden könne, sei die Narkamaŭka für die ‘nationale Wiedergeburt’ völlig ungeeignet. Aus diesem Grund sei es angemessen, das ‘Beste’ von beiden Sprachformen zu übernehmen und eine hybride Sprachform zu schaffen:
(6.19) А па-за межамі гетта віруе жыцьцё, каляровае і разнастайнае, яркае, багатае. І я хачу жыць гэтым жыцьцём, не пераходзячы на расейскую мову. Каб мяне без праблем разумелі усе, у тым ліку пацаны з гаспадамі. У начным клубе, дыскатэцы, моднай краме ды супермаркеце, кавярні ды спортклубе. У месцах зусім дэмакратычных і самых прэстыжных. У КЛЯСЫЧНЫМ варыянце гэта немагчыма. А у варыянце чыста
162 Мікола https://m.nn.by/articles/109911/comments/page/2/ (29.12.2017).
163 “Не пакідайце ж мовы нашай беларускай, каб не ўмёрлі!” ‘Gebt unsere belarussische Sprache nicht auf, damit ihr nicht sterbt!’ Francišak Bahušėvič Pradmova da Dudki belaruskaj (1891) http://knihi.com/Francisak_Bahusevic/Pradmova_da_Dudki_bielaruskaj.html (29.12.2017).
164 тт https://m.nn.by/articles/11821/comments/ (23.12.2017).
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школьным – немагчыма паўнавартаснае адраджэньне мовы. Таму адзінае выйсьце - сінтэз.165 (19.09.2007)
‘Und außerhalb des Gettos pulsiert das Leben, es ist bunt und vielfältig, leuchtend, erfüllt.
Und ich will dieses Leben leben, ohne dass ich zur russischen Sprache übergehen muss. Ich will, dass mich alle problemlos verstehen, sowohl Hooligans als auch die vornehmsten Gesellschaften, in einem Nachtklub, einer Diskothek, einem Modeladen oder Supermarkt, in einem Café oder Sportklub. Sowohl an ‘demokratischen’ Orten als auch an den prestigereichsten. In der klassischen Variante [= Taraškevica] ist das unmöglich. In der Schulvariante [= Narkamaŭka] ist dagegen eine vollwertige Wiedergeburt der Sprache nicht möglich. Deswegen besteht die einzig mögliche Lösung in einer Synthese.’
(6.20) Мае меркаванне выглядае ў аб'яднанні цяперашняга правапісу і былога. Трэба ўзяць з іх самае лепшае.166 (21.05.2013)
‘Ich vertrete die Meinung, dass man die heutige Rechtschreibung und die alte vereinigen muss. Man muss das Beste von den beiden nehmen.’
So wird eine ‘mittlere’ Varietät als Kompromisslösung angesehen, die die beiden ‘Parteien’
vereinigen würde:
(6.21) Да сярэдзіннага правапісу прыхінуцца людзі з абодвух бакоў.167 (14.12.2008)
‘Eine mittlere Rechtschreibung wird Menschen von beiden Seiten ansprechen.’