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Akteure auf dem baden-württembergischen Energiemarkt

6.2.1 Grundstruktur des Modells

6.2.1.1 Akteure auf dem baden-württembergischen Energiemarkt

0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 7000 8000 9000 10000

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Uhrzeit

Netzbelastung [MW]

Mittlere Lastkurve an einem Werktag im Winter Approximation im Modell

Abbildung 12: Lastkurve für einen Werktag im Winter in Baden-Württemberg

rung eine grundsätzliche Unterscheidung in den Bereich des Energieangebots und der Energienachfrage. Die Angebotsseite muss die Befriedigung der Energienach-frage sicherstellen und bestimmt in diesem Rahmen die Ausgestaltung des Energie-systems. Die Nachfrageseite gibt die Höhe und Struktur der Energienachfrage vor.

Der Bereich des Stromhandels, welcher bei Angebot und Nachfrage angesiedelt werden kann, nimmt in diesem Zusammenhang eine Sonderstellung ein.

6.2.1.1.1 Akteure der Energieangebotsseite

Auf der Energieangebotsseite ist aufgrund bestehender Unterschiede eine Unter-gliederung in verschiedene Gruppen erforderlich, um das zu untersuchende Energie-system adäquat abbilden und die Auswirkungen der diskutierten umweltpolitischen Instrumente detailliert analysieren zu können. Dabei erfolgt eine grundsätzliche Unterscheidung in Versorgungs- und Erzeugungsunternehmen, die in der Region ansässig sind, private Anlagenbetreiber und Stromhandel. Da es im Zusammenhang mit der Einführung umweltpolitischer Instrumente aus baden-württembergischer Sicht auch interessant sein kann, Potentiale für regenerative Energieträger in anderen Regionen zu nutzen, wird als weiterer Akteur der Markt für grünen Strom auf gesamtdeutscher Ebene, differenziert nach Angebot und Nachfrage integriert. Auf-grund des Umstandes, dass auf europäischer Ebene die Einführung eines einheitlichen beziehungsweise kompatiblen Förderinstruments für grünen Strom angestrebt wird [EC 2000], wird auch das Angebotspotential für grünen Strom aus dem europäischen Ausland im Modell berücksichtigt.

Innerhalb der Gruppe der in Baden-Württemberg ansässigen Erzeugungs- und Ver-sorgungsunternehmen gibt es teilweise deutliche strukturelle Unterschiede, so dass hier eine weitere Differenzierung einen detaillierteren Blick auf die zukünftige Ent-wicklung des Energiesystems ermöglicht. Aus diesem Grund wird auf Basis der in Kapitel 5.2.2.1 herausgearbeiteten relevanten unternehmensspezifischen Merkmale

„Existenz eines Fernwärmenetzes“, „Unternehmensgröße“ und „existierender Kraft-werkspark“ eine Unterteilung der Unternehmen in folgende drei Gruppen vorgenom-men:

• Große Erzeugungsunternehmen und überregionale Versorger: Unternehmen, die große Erzeugungsanlagen betreiben und deren Kerngeschäftsfeld die Erzeugung und der Verkauf von Elektrizität ist. Diese Unternehmen betreiben üblicherweise Übertragungsnetze auf allen Spannungsebenen und agieren auch auf nationaler und internationaler Ebene. Aufgrund der früheren Versorgungsgebiete im regu-lierten Markt versorgen sie auch nach der Liberalisierung überwiegend Endkun-den in ländlichen Regionen, in Endkun-denen keine Stadtwerke existieren.

• Versorgungsunternehmen, die ein Fernwärmenetz betreiben: Hierbei handelt es sich typischerweise um mittlere und große Stadtwerke, welche im ganzen Stadt-gebiet oder einzelnen Stadtteilen ein Fernwärmenetz unterhalten. Diese Unter-nehmen betreiben häufig aufgrund der Fernwärmeversorgung eigene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Unternehmen, die lediglich kleine Nahwärmenetze als

Energiesystemanalyse entsprechende Handlungsfelder identifiziert werden sollen, wäre eine Modellintegration dieser Akteure nicht zielführend.

Insel- oder Individuallösungen betreiben (z. B. einzelne Straßenzüge oder Gebäude), fallen nicht in diese Gruppe.

• Kleinere Versorgungsunternehmen: In dieser Klasse sind Versorgungsunterneh-men zusamVersorgungsunterneh-mengefasst, die weder ein FernwärVersorgungsunterneh-menetz noch eigene Strom-erzeugungsanlagen in nennenswertem Umfang betreiben. Hierzu gehören auch die Unternehmen, die kleine Nahwärmenetze, z. B. auf Basis einzelner Block-heizkraftwerke, betreiben7. Dabei handelt es sich typischerweise um kleinere Stadtwerke.

Charakteristisch für diese hier gewählte Aufteilung der Versorgungsunternehmen ist die Betrachtung des gesamten Unternehmens als vertikal integrierte Einheit. Das bedeutet, dass die für den Wettbewerb relevanten Bereiche Stromproduktion, Netz-betrieb und Handel als Einheit agieren. Diese Sichtweise widerspricht der im Ener-giewirtschaftsgesetz8 vorgeschriebenen wirtschaftlichen und organisatorischen Ent-flechtung früherer monopolistischer Versorgungsunternehmen im liberalisierten Markt. Allerdings wird anhand der aktuellen Entwicklungen auf dem bundesdeut-schen Strommarkt deutlich, dass in der Praxis die geforderte Entflechtung häufig nur in Form einer getrennten Bilanzierung der verschiedenen Teilgesellschaften realisiert wird. Im Rahmen des Stromgeschäfts arbeiten die einzelnen Unternehmensteile nach wie vor sehr eng zusammen, was sich beispielsweise darin äußert, dass für eigene Handels- und Verkaufsabteilungen andere Durchleitungsentgelte angesetzt werden, als für externe Händler9.

Auf Basis dieser drei Unternehmensklassen wird im Modell die gesamte Region Baden-Württemberg aufgeteilt. Grundlage bilden dabei die von den zur jeweiligen Klasse gehörenden Unternehmen versorgten Endkunden. Als Datenbasis können hierfür aktuelle Geschäftsberichte sowie die Statistiken des VdEW10 herangezogen werden. Anhand der Entwicklung des Marktes seit Inkrafttreten der Liberalisierung zeigt sich, dass es bisher keinem einzelnen Unternehmen oder einer Unternehmens-klasse gelungen ist, größere Marktanteile für sich zu gewinnen und damit eine tief-greifende Veränderung der aus dem regulierten Markt stammenden Marktaufteilung herbeizuführen. Ursache dafür ist, dass die Mehrheit der Unternehmen wettbewerbs-bedingte Preissenkungen durchgeführt hat und somit die Kunden auf lange Sicht durch einen Anbieterwechsel keine entscheidenden Preisvorteile realisieren konnten.

Hinzu kommt, dass durch die Höhe der Netznutzungsentgelte im Falle einer Durch-leitung auch Sondervertragskunden dazu bewegt werden können, beim bisherigen Versorger und Netzbetreiber zu bleiben. Aufgrund neuer energiepolitischer

7 Eine Analyse Kraftwerksanlagen der in Baden-Württemberg ansässigen Versorgungsunternehmen lässt deutlich werden, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen entsprechende Anlagen z. B. für Schwimmbäder oder Krankenhäuser betreibt.

8 § 7, Energiewirtschaftsgesetz.

9 Dies wird beispielsweise durch einen Vergleich von Strompreisen und Netznutzungsentgelten verschiedener Versorgungsunternehmen deutlich, wonach sich bei Berücksichtigung der veröffentlichten Netznutzungsentgelte z. T. negative Stromgestehungskosten ergeben müssten (siehe dazu z. B. Aufstellung in [Seyfried 2000]). Diese Praxis gewährleistet nicht den geforderten diskriminierungsfreien Netzzugang für alle Teilnehmer.

10 Jahresstatistiken des Verbandes der Elektrizitätswerke Baden-Württemberg e. V. (VdEW).

bedingungen z. B. zur Durchleitungsregelung oder eines geänderten Nachfragever-haltens kann es allerdings zukünftig zu Verschiebungen der Marktanteile kommen.

Die Entwicklung in diesem Bereich ist aus heutiger Sicht kaum abschätzbar. Daher wird im Rahmen der Modellierung davon ausgegangen, dass es auch künftig zwischen den abgebildeten Unternehmensklassen keine nennenswerten Verschiebungen bei den Marktanteilen geben wird.

Tabelle 27: Aufteilung des baden-württembergischen Versorgungsgebiets auf die Unternehmensklassen

Unternehmensklassen Versorgungsgebiet von ...

Große Erzeugungsunternehmen Energie Baden-Württemberg (EnBW)

EVU mit Fernwärmenetz Mannheimer Versorgungs- und Verkehrsgesellschaft mbH, Neckarwerke Stuttgart, Stadtwerke Heidelberg, Stadtwerke Reutlingen, Stadtwerke Karlsruhe, Stadtwerke Rottweil, Stadtwerke Ulm, Stadtwerke Pforzheim, Stadtwerke Schwäbisch Hall, Stadtwerke Bad Säckingen, Stadtwerke Bietigheim-Bissingen, Stadtwerke Crailsheim, Stadtwerke Esslingen, Stadtwerke Tübingen

Kleinere EVU Übrige Versorgungsunternehmen in Baden-Württemberg

Die Gruppe unabhängiger gewerblicher Betreiber größerer Kraftwerksanlagen, soge-nannte Independent Power Producer (IPP), wird nicht gesondert im Modell berück-sichtigt, weil bisher keine entsprechenden Anlagen in Baden-Württemberg existieren und daher eine Abbildung bestehender Kapazitäten nicht erforderlich ist. Eine zukünftige Etablierung solcher Unternehmen in der untersuchten Region wird in der Klasse „Große Erzeugungsunternehmen“ abgebildet, weil davon ausgegangen werden kann, dass IPP nur dann eine Marktchance haben, wenn sie mit den Preisen großer Erzeuger konkurrieren können.

Als weitere Gruppe werden neben etablierten Versorgungsunternehmen unabhän-gige Betreiber von Stromerzeugungsanlagen berücksichtigt. Dabei handelt es sich typischerweise um Privatpersonen oder Betreibergesellschaften, welche Anlagen auf Basis erneuerbarer Energieträger betreiben oder um Industrie- und Handwerks-betriebe, welche eine Überproduktion aus kleinen Anlagen ins Netz einspeisen. Auf-grund der hier zu untersuchenden Problemstellung stehen Betreibergesellschaften beziehungsweise private Betreiber von regenerativen Erzeugungsanlagen im Vor-dergrund. Charakteristisch für diese Akteure ist der Betrieb von Kleinanlagen, welche im Rahmen staatlicher Förderprogramme unterstützt werden. Dazu gehören beispielsweise das Stromeinspeisungsgesetz / Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aber auch länderspezifische Förderungen für einzelne Technologien oder Energie-träger11. Dieser Bereich ist vor allem für die Abbildung der Entwicklung unter den Rahmenbedingungen des EEG, welche im Referenzszenario untersucht wird, von Bedeutung (siehe dazu auch Kapitel 6.4.1).

Der Einsatz umweltpolitischer Instrumente zur Förderung der Erzeugung von grünem Strom wird auf nationaler beziehungsweise europäischer Ebene diskutiert. Da es zwischen verschiedenen Regionen innerhalb des Geltungsbereiches des Instruments

11 Siehe dazu z. B. [Staiß 2000, S. I-102].

sehr starke Unterschiede bei der Verfügbarkeit von Potentialen regenerativer Ener-gieträger geben kann, besteht die Möglichkeit, dass durch eine Verschiebung der Erzeugung grünen Stroms in Regionen mit für die Stromerzeugung sehr gut nutzbaren Potentialen ökonomische Vorteile im Vergleich zu einer gleichmäßigen Nutzung in allen betroffenen Regionen realisiert werden können. Daraus ergibt sich, dass die Potentiale regenerativer Energieträger sowie deren Ausnutzung im gesamten Geltungsbereich des Instruments in das Modellsystem zu integrieren sind.

Dazu werden die Erzeugungsmöglichkeiten für grünen Strom in den übrigen Bundesländern sowie das europaweite Angebot in das Modell integriert.

6.2.1.1.2 Energienachfrageseite

Der Bereich der Konsumenten umfasst die gesamten, in der untersuchten Region ansässigen Endkunden für Strom und Fernwärme. Es ist anzumerken, dass der Schwerpunkt der Arbeit auf der Analyse des Strommarktes liegt. Der Bereich Fern-wärme wird nur aufgrund seiner Bedeutung für die Stromerzeugung in KWK-Anlagen und der sich daraus ergebenden Wechselwirkungen zwischen Strom- und Wärme-produktion in das Modell integriert (siehe auch Kapitel 6.2.9). Weil es bei den Nachfragecharakteristika deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Konsumenten geben kann, erfolgt auf dieser Ebene eine Differenzierung in Tarif- und Sondervertragskunden.

Da die Nachfrage auch ausschlaggebend für die Entwicklung von Energieanbietern ist, erfolgt für jede der drei modellierten Unternehmensklassen eine getrennte Abbil-dung der jeweiligen Energienachfrage. Eine detaillierte Darstellung der Modellierung der Nachfrageseite ist in Kapitel 6.2.6 gegeben. Die Abbildung der Energienach-frageseite ist für das Modell von besonderer Relevanz, da auf dieser Ebene die Höhe wie auch der zeitliche Verlauf als wichtige exogene Modellgrößen vorgegeben werden.

Für die Untersuchung der Auswirkungen umweltpolitischer Instrumente kommt den Konsumenten eine Schlüsselrolle zu, da sich beispielsweise bei der Diskussion um die Ausgestaltung einer Quotenregelung abzeichnet, dass eine Verpflichtung der Endkunden eine sinnvolle Alternative ist [Drillisch 1999c, S. 272] (siehe auch Kapitel 2.1.2.1).

Zur korrekten Modellierung der Potentialausnutzung regenerativer Energieträger in anderen Bundesländern ist für die Erzeugung von grünem Strom auf nationaler Ebene auch eine Nachfrage vorzugeben. Mit diesem Nachfragewert wird die Höhe der Mengenverpflichtung für grünen Strom in den übrigen Bundesländern abgebildet.

6.2.1.1.3 Handelsakteure

Neben einer Erzeugung der nachgefragten Elektrizität innerhalb der zu untersuchen-den Region kommt auch ein Zukauf über einen nationalen beziehungsweise interna-tionalen Strommarkt in Frage. Analog ist auch ein Verkauf überschüssiger Produktion in andere Regionen möglich. Zur Abbildung der sich dadurch ergebenden Ankopp-lung an den nationalen/internationalen Strommarkt wird der Stromhandel als geson-derter Akteur in das Modellsystem integriert.