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Im Dokument Unternehmerin Kommune: (Seite 32-37)

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Ministerpräsident Weil: Sie führen seit Februar dieses Jahres eine linke Mehrheit im nieder-sächsischen Landtag. Was dürfen sich die Kommunen davon erhoffen, wenn es darum geht, den politischen und auch den wirtschaft-lichen Spielraum der Kommunen zu erweitern?

Stephan Weil:

Niedersachsen hat seit Ende Februar 2013 einen Innenminister und einen Ministerpräsidenten, die aus der Kommunalpolitik kommen und erklärte Anhänger starker Kommunen sind.

Auch in der Riege der neuen niedersächsischen Staatssekretäre findet sich großer kommunaler Sachverstand und ein ausgeprägtes Bewusst-sein für die Bedeutung gut funktionierender kommunaler Strukturen. Das wird die Politik der neuen Landesregierung prägen. So werden wir beispielsweise das kommunale Wirtschafts-recht ändern und dem Landtag vorschlagen,

die den Kommunen unter der schwarz/gelben Regierung auferlegten Restriktionen wieder auf-zuheben. Die Kommunen sollen die Möglichkeit bekommen, selbst wieder verstärkt wirtschaftlich tätig zu werden.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Herr Dr. Kassing: Welche Hoffnungen ver-binden Sie mit einem Ministerpräsidenten, der direkt aus der kommunalen Familie kommt und lange Jahre dem Verband kommunaler Unternehmen vorstand?

Dr. Reinhold Kassing:

Wir gehen davon aus, dass der Ministerpräsident seine kommunalen Wurzeln nicht vergessen wird. Dabei erwarten wir nicht Wunderdinge.

Insbesondere die kommunale Wirtschaft möchte die Chance erhalten, ihre Stärken zu zeigen.

Dafür bedarf es Rahmenbedingungen, die einen fairen Wettbewerb auf Augenhöhe mit anderen

Unternehmen zulassen. Ich bin mir sicher, dass der Ministerpräsident als ehemaliger VKU-Präsident uns diesen fairen Wettbewerb ermöglichen wird.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Ministerpräsident Weil: Sie sind nach Torsten Albig und möglicherweise vor Christian Ude der zweite SPD-Ministerpräsident, der direkt vom Rathaus einer Landeshauptstadt in die Staatskanzlei wechselte. Lassen sich diese drei Fälle schon als neuen Trend in ihrer Partei bewerten? Und welche Vorteile für die täg-liche Regierungsarbeit verbinden Sie mit dem Erfahrungsschatz aus der kommunalen Ebene?

Weil:

Dass mit Torsten Albig und mir zwei ehemalige Oberbürgermeister auf Ministerpräsidentenposten gewechselt sind, belegt die Stärke der SPD auf kommunaler Ebene. Das gilt auch für Christian Ude. In den Städten, Kreisen und Gemeinden Ministerpräsidenteninterviews

EIN KOMMUNALER AN DER SPITZE DER NIEDERSÄCHSISCHEN LANDESREGIERUNG

Den Kommunen eng verbunden

Interview mit Stephan Weil, Ministerpräsident des Landes Niedersachsen, und Dr. Reinhold Kassing, Geschäftsführer der VKU-Landesgruppe Niedersachsen-Bremen

N

iedersachsen ist ein weites aber auch ein sehr heterogenes Land. Zwischen den Bergen des Harzes und den ostfriesischen Inseln erstrecken sich traditionsreiche Industriereviere aber auch große agrarisch geprägte Regionen. Auch konfessionell ist das Land gemischt zwischen Katholiken, Protestanten und Menschen, die sich als freigeistig bezeichnen würden. Es verwundert daher nicht, dass Niedersachsen für keine Partei eine sichere Bank darstellte und die Landesregierungen in den vergangenen Jahren beständig zwischen schwarz-gelben und rot-grünen Koalitionen hin- und herpendelten. Der letzte Wechsel ist nicht lange her. Im Januar dieses Jahres gelang es dem damaligen Hannoveraner Oberbürgermeister Stephan Weil eine denkbar knappe Mehrheit für die von ihm geführte niedersächsische SPD und die Grünen zu erringen. Lesen Sie im Folgenden ein Interview mit dem dienstjüngsten Ministerpräsidenten Deutschlands sowie mit dem Geschäftsführer der VKU-Landesgruppe Niedersachsen/Bremen. Der im Rahmen unserer Serie „Ministerpräsidenteninterviews“ intendierte Dialog zwischen kommunalen Unternehmen und den Regierungschefs der Länder dürfte dieses Mal besonders freundschaftlich geraten. Schließlich war Stephan Weil noch bis 2012 Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU).

33 UNTERNEHMERIN KOMMUNE • AUSGABE 02 / JUNI 2013

KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

ist unsere Partei stark verwurzelt. Hier lernt man, Politik für die Bürgerinnen und Bürger zu machen.

Gegenseitige Wertschätzung und gegenseitiges Ver-trauen sind hier von besonderer Bedeutung. Wer aus einem Rathaus an die Spitze einer Landesregierung wechselt, reist mit einem reichen Erfahrungsschatz an direkter Kommunikation an. Ich war und bin kurze, direkte Kommunikationswege gewohnt und möchte mir diese auch zukünftig bewahren. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten das zu Recht, sie wollen verstehen, was ihre Landesregierung so treibt und warum Entscheidungen so und nicht anders

fallen. Es muss uns gelingen, auch komplexe Sach-verhalte und mitunter schwierige Lösungswege zu vermitteln. Politik ist alles andere als simpel, aber das entbindet die Politikerinnen und Politiker nicht davon, sie für die Bürgerinnen und Bürger begreifbar und erfahrbar zu machen. Als Oberbürgermeister von Hannover hatte ich regelmäßig Bürgersprech-stunden abgehalten. Da das mit mehr als acht Millionen Einwohnern schwierig ist, bereiten meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Staats-kanzlei jetzt Praxistage und Bürgerforen vor.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die demografische Entwicklung mit den Stich-worten Überalterung und Schrumpfung wirkt sich zunehmend auch in den alten Bundes-ländern aus. So gehören etwa das Wendland, das Ammerland oder das südöstliche Nieder-sachsen zu den Regionen, die im Hinblick auf ihre Zukunftsaussichten besonders skeptisch beurteilt werden. Versucht die Landes-regierung, Strategien möglichst passgenau an diese Entwicklungen anzupassen oder wird noch immer eine Trendumkehr angestrebt?

Wie auch immer die Strategien ausschauen – welche Rolle sollen und können kommunale Unternehmen bei der Umsetzung spielen?

Weil:

Ohne die regionale Wirtschaft und damit auch die kommunalen Unternehmen können die Herausforderungen des demografischen Wandels nicht gemeistert werden. Menschen siedeln sich dort an, wo Arbeitsplatzangebot, Bildungsan-gebot, kulturelles Angebot und Infrastruktur zueinander passen. Das macht Lebensqualität aus. Kommunale Unternehmen haben hier eine Schlüsselposition, sie halten Dienstleitungen vor, die zu einer guten Lebensqualität beitragen. Des-halb setzen wir uns dafür ein, eine Schwächung der kommunalen Unternehmen – etwa durch Vor-haben der EU oder des Bundes – zu verhindern.

Ich erinnere an die Gedankenspiele aus Brüssel, die Wasserversorgung privatisieren zu wollen.

Dr. Kassing:

Kommunale Unternehmen sind kommunale Infrastrukturdienstleister. Die Verbundenheit der Unternehmen mit der Entwicklung der Stadt oder auch der Region ist ganz unmittelbar. Das

Wohl und Wehe der Stadt und damit auch die demografische Entwicklung ist in den Bilanz-zahlen der kommunalen Unternehmen ables-bar. Weniger Einwohner bedeuten auch weniger Strom- und Wasserkunden. Allerdings werden in vielen Gebieten unseres Landes die Kunden zunächst nicht weniger, sondern älter werden. Dies muss bei der Kommunikation beachtet werden.

Weniger Einwohner bzw. Kunden bedeuten auch nicht zwangsläufig kürzere Strom- oder Wasser-leitungen. Es gilt insofern, flexible und ortsbe-zogene Lösungen zu finden. Ortskenntnisse, Kundennähe, Partnerschaft mit Bürgerinnen und Bürgern, das sind die besonderen Stärken der kommunalen Unternehmen. Ich gehe davon aus, dass gerade diese Stärken bei der Bewältigung des demografischen Wandels unverzichtbar sind.

Stärkung der öffentlichen Hand UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die Phase, in der Politik auf allen Ebenen auf den Markt und die Privatisierung von Eigentum setzte, scheint vorläufig zu Ende. Der Minister-präsident selbst hat als Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen eine massive Stärkung kommunaler Kompetenzen erlebt.

Erst jüngst wurde im Nachbarland Thüringen die – abgesehen vom Thüga-Netzwerk – größte Kommunalisierung bundesweit umgesetzt. Wie bildet sich der Trend der Rekommunalisierung in Niedersachsen ab? Und inwiefern ist die Stärkung des kommunalen Handlungsrahmens Teil der politischen Agenda?

Weil:

Auch in Niedersachsen hat man inzwischen erkannt, dass Privatisierungen die damit verbundenen Erwartungen nur selten erfüllen. Allzu oft wird die Leistungserbringung mittelfristig teurer oder die Qualität nimmt ab. Die Menschen legen wieder mehr Wert darauf, dass wesentliche Bereiche der Daseins-vorsorge in öffentlicher Hand bleiben. Dabei werden wir die Kommunen unterstützen. Insgesamt ist dieser so sehr von kommunalen Vorerfahrungen geprägten Landesregierung die Stärkung des kommunalen Handlungsrahmens ein großes Anliegen.

Dr. Kassing:

Rekommunalisierung ist kein Selbstzweck. Sie ist nur erfolgreich, wenn sie sich auch wirtschaftlich Ministerpräsidenteninterviews

Dr. Reinhold Kassing Stephan Weil

Auch in Niedersachsen hat man inzwischen erkannt, dass Privatisierungen die damit ver-bundenen Erwartungen nur selten erfüllen. Allzu oft wird die Leistungserbringung mittelfristig teurer oder die Qualität nimmt ab.

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Stephan Weil

Der hohe Vertrauensvorschuss der kommunalen Unternehmen ist ein

unschätzbarer Wert. Gerade die aktuelle Diskussion im Hinblick auf die Privatisierung der Wasser-versorgung zeigt, wie wichtig den Bürgern die Nähe zu ihren

Unter-nehmen vor Ort ist.

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Dr. Reinhold Kassing

darstellen lässt und vor allem von den Bürgerinnen und Bürgern gewollt wird. Der hohe Vertrauens-vorschuss der kommunalen Unternehmen ist ein unschätzbarer Wert. Gerade die aktuelle Diskussion im Hinblick auf die Privatisierung der Wasserver-sorgung zeigt, wie wichtig den Bürgern die Nähe zu ihren Unternehmen vor Ort ist. Hier muss die Politik und muss der Ministerpräsident ein klares Signal für die kommunale Familie senden. Weitere wichtige politische Handlungsfelder sind eine Reform des Gemeindewirtschaftsrechtes, eine recht-liche Klarstellung des Erwerbs von Stromnetzen sowie eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes.

Es darf nicht Schule machen, dass Großkonzerne eine vermeintlich unklare Rechtslage durch jahre-lange Rechtsstreitigkeiten ausnutzen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Niedersachsen wird im Zuge der Energie-wende zu einem wichtigen Exportland von Energie werden. Allerdings stellt sich nicht nur zwischen Nordsee und Harz die Frage, wie der erzeugte Strom dorthin geleitet werden soll, wo er verbraucht wird. Und was die Bürger davon haben, die im Norden und Osten der Bundesrepublik Energieerzeugung und -transport direkt vor der Haustür erleben.

Erwarten Sie, dass Niedersachsen für die über-nommenen Lasten angemessen entschädigt werden wird?

Weil:

Ich erwarte zunächst einmal, dass die Bundes-regierung die Energiewende professionell hand-habt. Niedersachsen hat enorme Chancen, Energieland Nummer 1 in Deutschland zu werden. Die Bundesregierung riskiert gerade, diese Chancen zu verspielen. Es besteht akuter Handlungsbedarf, die Unternehmen brauchen eine längerfristige Planungssicherheit. Die

Energieerzeugung auf hoher See durch Offshore-Anlagen beispielsweise gilt als wichtigstes Stand-bein einer zukunftsfesten Versorgung mit Erneuerbaren Energien. Um das zu realisieren sind Investitionen in Milliardenhöhe nötig. Das Geld kommt von Investoren, die hierfür verläss-liche Rahmenbedingungen brauchen. Bundes-kanzlerin Merkel, ihr Wirtschaftsminister Rösler und ihr Umweltminister Altmaier aber tun momentan alles, um Investoren zu verunsichern.

Die Energiewende ist eine große Chance, die wir umsetzen müssen. Dafür müssen wir auch werben, etwa wenn es um den Netzausbau geht.

Dr. Kassing:

Zunächst ist festzustellen, dass Niedersachsen als Windenergieland Nr. 1 von der Energiewende profitiert. Davon sind allein in der Windenergie-branche circa 20.000 Arbeitsplätze abhängig.

Allerdings verbinden sich mit dem Transport des erzeugten Stroms auch Lasten. Es gibt Bürger-initiativen, die sich gegen neue Stromleitungen wehren und vielfach eine Erdverkabelung erwarten. Hier gilt es, ein ausgewogenes Verhält-nis von „ Lust und Last“ herzustellen. Dieses muss auch zwischen den Bundesländern gewährleistet sein. Ob es dazu einer Entschädigung bedarf, muss zwischen den Landesregierungen geklärt werden.

Strukturen anpassen aber auch bewahren

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Auch im Kontext des demografischen Wandels wird stetig über eine Neuordnung von Ver-waltungsstrukturen nachgedacht. Einige ost-deutsche Bundesländer haben in nur 22 Jahren

nach der Wende mehrere Kreisgebietsreformen vorgenommen. Weitere werden folgen. Wieso wird die Optimierung von Strukturen aber kaum für die Ebene der Bundesländer dis-kutiert? Die Idee zur Schaffung eines Nord-staates könnte doch wieder aus der Schublade geholt werden, wo nun alle potentiell beteiligten Regierungen von der SPD geführt werden.

Weil:

Nein, den Nordstaat würde ich gerne in der Schublade lassen. Hinter diesem Zauberwort stehen hohe, aber meines Erachtens nicht realistische Erwartungen. Insbesondere die Ein-sparvolumina sind nach meiner Einschätzung durchaus überschaubar. Und für die dafür not-wendige Grundgesetzänderung sehe ich keine qualifizierte Mehrheit.

Ministerpräsidenteninterviews

Vom Rathaus...

in die Staatskanzlei – im Februar dieses Jahres wechselte Stephan Weil ins Amt des niedersächsischen Ministerpräsidenten

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KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

HALBERSTADTWERKE Wehrstedter Straße 48, 38820 Halberstadt,

Telefon: 03941 579 100

Dr. Kassing:

Dies ist eine Frage, die politisch zu klären ist. Für die kommunale Wirtschaft kann ich jedoch sagen, dass Größe nicht gleich „gut“ und „wirtschaft-lich“ bedeuten muss. Die kleinen und mittleren Stadtwerke in Niedersachsen beweisen jeden Tag ihre Leistungsstärke. Dort, wo größere Einheiten sinnvoll sind, z.B. im sogenannten „back-office“-Bereich, lassen sich durch Kooperationen die notwendigen Synergien erzielen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Die nördlichen Nachbarn Schweden und Dänemark haben in den 90er bzw. 00er Jahren einschneidende Reformen in ihrer Ver-waltungsstruktur durchgeführt. Gemeinsam sind ihnen nun sehr große kommunale Ein-heiten mit einer hohen Regelungskompetenz.

Kommunen genießen hier unter anderem den Erstzugriff auf die Einkommensteuer.

Dagegen wurden die zentrale und vor allem die regionale/föderale Zwischenebene geschwächt.

Dänemark und auch Schweden lassen sich heute als dezentral orientierte Kommunal-staaten beschreiben. Was kann die deutsche Politik unter den Stichworten Föderalismus-reform und kommunale Selbstverwaltung von diesen Beispielen lernen?

Weil:

Mit dem Föderalismus und der kommunalen Selbstverwaltung haben wir alles in allem gute Erfahrungen gemacht. Wir müssen unsere Strukturen natürlich immer wieder den Gegebenheiten anpassen, aber sie durchaus auch schützen. Würden wir uns für Deutsch-land wirklich große kommunale Einheiten mit hohen Regelungskompetenzen wünschen? Nein, ich glaube nicht.

Dr. Kassing:

Ich glaube, die Frage der kommunalen Selbst-verwaltung ist von dem Begriff der Daseinsvor-sorge nicht zu trennen. Bürger vor Ort sollen für die wichtigen Dinge des Lebens Verantwortung tragen. Dieser Grundgedanke darf bei keiner Reform von Verwaltungsstrukturen außer Acht

UNSERE GESPRÄCHSPARTNER Stephan Weil ist 1958 in Hamburg ge-boren. Seine Schulzeit absolvierte er in Han-nover. Von 1978 bis 1983 studierte Weil Jura an der Universität Göttingen. Nach erfolgreich bestandenem Zweitem Staatsexamen arbeite-te er von 1987 bis 1989 als Rechtsanwalt in Hannover. 1989 wurde Weil zum Richter er-nannt und arbeitete teilweise in Abordnung für das Niedersächsische Justizministerium. 1994 wurde er dort zum Ministerialrat berufen. Von 1997 bis zum Jahr 2006 folgte eine Stellung als Stadtkämmerer der Landeshauptstadt Hannover. Im Mai 2006 wurde Weil im ersten Wahlgang zum Oberbürgermeister Hannovers gewählt. 2011 bestimmte ihn die niedersäch-sische SPD in einem Mitgliederentscheid zum Spitzenkandidaten für die kommende Land-tagswahl. Im Januar 2012 folgte die Wahl zum Landesvorsitzenden der Partei. Ein Jahr später erhielt das von Weil geführte Bündnis aus SPD und Grünen eine knappe Mehrheit bei den Landtagswahlen. Im Februar dieses Jahres wurde er schließlich zum Ministerpräsidenten des Landes Niedersachsen gewählt. Von 2007 bis zum Jahre 2012 war Stephan Weil unter anderem auch Präsident des Verbandes kom-munaler Unternehmen (VKU).

Dr. Reinold Kassing ist 1957 geboren.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Münster folgte 1987 die Promotion zu einem parlamentsrechtlichen Thema. Nach anschließender anwaltlicher Tä-tigkeit war Dr. Kassing 25 Jahre lang in der Kommunalverwaltung tätig: Als Erster Stadtrat sowie Erster Kreisrat (Kreisdirektor) verant-wortete er das Personalwesen, die Kämmerei sowie die Beteiligungsverwaltung. Seit dem Jahre 2011 ist Dr. Kassing Landesgeschäfts-führer des VKU Niedersachsen/Bremen.

i infos

Das Bekenntnis des Ministerpräsidenten zu den Kommu-nen und zur kommunalen Wirtschaft hätte eindeutiger kaum ausfallen können. Dies zeigt nicht zuletzt der klar formulierte Wille zu einer Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts in Niedersachsen. Die Zukunft wird zei-gen, wie weit die eine Stimme Mehrheit im

niedersächsi-schen Landtag tragen kann. Die Zuversicht und das Vertrauen der kommunalen Wirtschaft im

Land scheinen jedoch ausgeprägt. Falk Schäfer

Ministerpräsidenteninterviews

gelassen werden. Die kommunalen Unter-nehmen sind ein Ausdruck des Konzeptes der kommunalen Selbstverwaltung und Daseinsvor-sorge. Unter diesen Aspekten sollten wir auch die Optimierungen und Effizienzsteigerungen in den skandinavischen Ländern betrachten und soweit wie möglich davon lernen.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Ministerpräsident Weil: Bayern und Hessen haben jüngst eine Verfassungsklage gegen den Länderfinanzausgleich angestrengt.

Wie bewerten Sie den Schritt dieser beiden Bundesländer? Ist nun das Ende der regionalen Solidarität in Deutschland gekommen?

Weil:

In beiden Ländern finden in naher Zukunft Landtagswahlen statt. Ich fürchte, dass die populistischen Vorstöße der Regierungen von Hessen und Bayern diesem Umstand geschuldet sind. Wenn man im Inneren Probleme hat, sucht man sich seinen Gegner außerhalb. Es ist nicht gut, dass hier von zwei Ländern die Solidarität aufgekündigt wird. Gleichzeitig ver-traue ich aber dem Bundesverfassungsgericht, dass es eine weise Entscheidung treffen wird, die allen Ländern gerecht wird. Übrigens: Beide Länder hatten der geltenden Regelung selbst zugestimmt.

UNTERNEHMERIN KOMMUNE:

Trotz andauernd positiver Umfragewerte für die CDU im Bund ist nun nach Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein auch in Niedersachsen eine linke Mehrheit an die Regierung gelangt.

Auf der Ebene der Großstädte zeigt sich ein noch gravierenderer Trend. Nach einer Ana-lyse, die UNTERNEHMERIN KOMMUNE in der Dezember-Ausgabe publiziert hatte, werden mittlerweile drei Viertel der deutschen Großstädter von Verwaltungschefs aus der SPD regiert. Welche Ursachen vermuten Sie hinter dem offenkundigen Trend, dass die CDU in den größeren Städten kaum mehr reüssieren kann?

Weil:

Ich bin nicht der beste Berater der CDU. Das können die christdemokratischen Kolleginnen und Kollegen selbst. Sie brauchen meinen Rat nicht.

Allerdings gefällt es mir natürlich, dass insbesondere in den städtischen Milieus die SPD nachhaltig Erfolg hat. Ein modernes Menschenbild, der Wille und die Fähigkeit zum sozialen Ausgleich, gelebte Integration und Teilhabe und sicherlich auch gute Erfahrungen mögen hierfür verantwortlich sein. n

Das Interview führte Falk Schäfer www.niedersachsen.de

www.vku.de

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KOMMUNALWIRTSCHAFT AKTUELL

Netzrückkauf durch die Kommunen Neben dem Ausbau der Erzeugung bilden Aus- und Umbau der Strom- und Gasnetze einen Schwer-punkt bei der Investitionsplanung der Stadtwerke.

Die Infrastruktur muss technisch an die erhöhte örtliche Einspeisung angepasst werden. Weiterhin stehen viele Kommunen vor der Frage, wie sie mit den auslaufenden Konzessionsverträgen umgehen sollen. Hilfestellung bietet der kürzlich erschienene

„Leitfaden für die Finanzierung von Versorgungs-netzen“, der gemeinsam vom DSGV, dem Ver-band kommunaler Unternehmen (VKU) sowie den kommunalen Spitzenverbänden, Deutscher Städtetag und Deutscher Städte- und Gemeinde-bund, herausgegeben wird.

Netzübernahmen sind Sprunginvestitionen und verändern die wirtschaftlichen, bilanziellen und organisatorischen Strukturen bestehender Stadtwerke vielfach tiefgreifend oder bedingen die Gründung neuer Stadtwerke. Überlegungen zu Finanzierbarkeit und Finanzierungsstruktur sollten deshalb mit den ersten grundsätzlichen rechtlichen und technischen Vorbereitungen einer Netzübernahme einhergehen. Ausgehend von der gewünschten Risikoverteilung sowie der durch rechtliche und wirtschaftliche Rahmen-bedingungen vorgegebenen Richtung stehen für die Strukturierung der Finanzierung verschiedene Modelle zur Verfügung.

Das Kommunalkreditgeschäft befindet sich in einem Wandel und unterliegt zunehmenden Regulierungen. Banken sind gezwungen, Kredit-vergaben verstärkt risikoadäquat mit Eigen-kapital zu unterlegen, darüber hinaus ist eine verstärkte Differenzierung bei der Vergabe lang-fristiger Finanzierungsmittel zu konstatieren.

Dessen ungeachtet ist der Kommunalkredit für kommunale Gebietskörperschaften die kosten-günstigste Mittelbeschaffung mit dem geringsten Dokumentationsaufwand. Üblicherweise erfolgt eine Rekommunalisierung jedoch durch eine vor-handene oder eigens zu gründende Stadtwerke-gesellschaft, an die die Konzession vergeben wird.

In solchen Fällen besteht für die Stadtwerke die

Möglichkeit, einen kommunal verbürgten Kredit aufzunehmen und sich durch eine „Bonitätsleihe“

die Finanzierung zu erleichtern. Alle mit der Finanzierung verbundenen Risiken werden durch die Kommune übernommen. Voraussetzung für die Erteilung eines kommunal verbürgten Kredites ist eine beihilferechtliche Prüfung nach EU-Vorgaben.

Alternativ bieten sich Unternehmens- oder Projektfinanzierungen an. Ein wichtiges Merkmal dieser Formen ist die Verknüpfung von wirtschaft-lichen Kenngrößen mit der Risikoverteilung.

Je mehr Finanzierungsrisiken von Eigen- und Fremdkapitalgebern übernommen werden sollen, umso größer ist deren Erwartung an die Rendite.

Umsetzung von

Erneuerbare-Energie-Projekten In vielen Fällen sind die Sparkassen Impulsgeber und tragen erste Ideen, oftmals gemeinsam mit ihrer Kommunalberatungsgesellschaft, DKC Deka Kommunal Consult GmbH, an die Kommunen oder kommunalen Stadtwerke heran. Darüber hinaus legen sie Finanzierungskonzepte für die

Vorhaben vor und stehen als Finanzierungspartner zur Verfügung.

In einer im Jahr 2011 im Rahmen der DSGV-Studie „Stadtwerke – Finanzierungsmöglichkeiten und Formen der Zusammenarbeit“ von der DKC in Kooperation mit dem VKU durchgeführten Befragung nannten 96 Prozent der Stadtwerke in Deutschland die Sparkassen einen bedeutenden bzw. sehr bedeutenden Finanzpartner. In der gleichen Befragung gaben rund 45 Prozent der Stadtwerke an, bereits Erfahrungen mit Projekt-finanzierungen bei Investitionen gesammelt zu haben. 80 Prozent gehen sogar davon aus, dass diese Finanzierungsform ihrer Auffassung nach in naher Zukunft den gleichen Stellenwert ein-nehmen wird, den heute die Unterein-nehmens- Unternehmens-finanzierung innehat. Damit bestätigen die Stadtwerke, dass sie sich sowohl an die der-zeitigen Gegebenheiten des Finanzierungsmarktes anpassen und, soweit absehbar, auch auf seine zukünftigen Anforderungen ausrichten.

Eine ungebrochen starke Nachfrage erleben im Zusammenhang mit den Erneuerbaren Energien Umsetzungsmodelle mit Bürgerbeteiligung. Die Einbindung von Bürgern in der Region kann ein Schlüssel zur erfolgreichen Realisierung von Projekten sein. Auf diese Weise können die Kommunen bei ihren Bürgern die Bereitschaft fördern, die Energiewende selbst mitzugestalten.

Auch hier stehen die Sparkassen mit Lösungs-vorschlägen und ihrer Erfahrung beim Erwerb von Gesellschaftsanteilen oder beim Verkauf von Anlageprodukten, wie etwa zweckgebundenen Sparbriefen, zur Verfügung.

Anforderungen an

Finanzierungsinstrumente

Trotz der wachsenden Bedeutung alternativer Finanzierungsformen, zu denen auch die finanzielle Bürgerbeteiligung zu zählen ist, hat die Unter-nehmensfinanzierung nach wie vor den größten Stellenwert bei den Stadtwerken. Für diese Finanzierungsform sprechen eine verhältnismäßig einfache Strukturierung, die guten Konditionen Sparkassen

SPARKASSEN ALS ZUVERLÄSSIGER FINANZIERUNGSPARTNER FüR KOMMUNEN UND IHRE UNTERNEHMEN

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