3 Methodisches Vorgehen
3.3 Ökobilanzielle Betrachtung
Bereits in der Vergangenheit wurden Studien zur Bewertung der Hochwertigkeit von
Verwertungsverfahren für Bioabfälle durchgeführt [Knappe et al. 2019 und Knappe et al. 2012].
Insbesondere die Vorgängerstudie von [Knappe et al. 2019] „Ermittlung von Kriterien für eine hochwertige Verwertung von Bioabfällen und Ermittlung von Anforderungen an den
Anlagenbestand“ wird als Grundlage für die weitere Entwicklung der Kriterien herangezogen.
Danach werden nach den Vorgaben des KrWG wie auch in [Knappe et al. 2019] folgende Punkte betrachtet:
1. die zu erwartenden Emissionen,
2. das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen, 3. die einzusetzende und zu gewinnende Energie sowie
4. die Anreicherung von Schadstoffen in Erzeugnissen, in Abfällen zur Verwertung oder in daraus gewonnenen Erzeugnissen.
Aus diesen Punkten werden die entsprechenden quantifizierbaren Kriterien bzw.
Wirkungskategorien abgeleitet.
3.3.1 Wirkungskategorien und Indikatoren
Entsprechend des Ansatzes von [Knappe et al. 2019] werden die zu erwartenden Emissionen Methan (CH4) und Lachgas (N2O) im Kriterium Klimaänderung (Klimawandel) betrachtet. Die Klimaänderung wird über das Treibhausgaspotenzial (GWP) bestimmt. Die Berechnung des
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Treibhauspotenzials (GWP) in Form von CO2-Äquivalenten (CO2-eq) wird allgemein anerkannt.
Zur Auswertung des GWP werden die einzelnen Treibhausgase aus dem Sachbilanzergebnis entsprechend ihrer Klimawirksamkeit in CO2-Äquivalente zusammengefasst. Die Berechnung erfolgt mit der Folgenabschätzungsmethode [ReCiPe 2016].
Zudem werden wie in [Knappe et al. 2019] aus den zu erwartenden Emissionen Stickstoffoxid (NOX) und Ammoniak (NH3) die Kriterien Versauerung und Eutrophierung sowie aus
Emissionen, in Form von flüchtigen organischen Verbindungen ohne Methan (NMVOC3) und NOX, das Kriterium Photooxidantienbildung abgeleitet.
Verantwortlich für die Versauerung sind die Emissionen säurebildender Verbindungen. Die Berechnung erfolgt in Form von Säurebildungspotenzialen (AP). Die Emissionen von
Säurebildnern werden in Schwefeldioxid (SO2)-Äquivalenten mit [ReCiPe 2016]
zusammengefasst.
Die Eutrophierung steht für eine Nährstoffzufuhr im Übermaß in Flüssen Seen und im Meer.
Das Eutrophierungspotenzial (EP) von Nährstoffemissionen wird hierbei durch die Aggregation von relevanten Emissionen in Phosphor (P)-Äquivalenten mit [ReCiPe 2016] ermittelt.
Die Kategorie Photooxidantienbildung betrachtet die Emission von Stoffen, die eine Bildung von Ozon in Bodennähe begünstigen. Hierzu zählen Kohlenwasserstoffe wie NMVOC, aber auch Stickstoffoxide haben eine Wirkung. Diese Art von Emissionen wird in nennenswertem Rahmen aus den Behandlungsanlagen emittiert, weshalb diese Kategorie betrachtet wird. Die relevanten Emissionen dieser Kategorie werden in NOx-Äquivalente umgerechnet und angegeben. Die Berechnung erfolgt ebenfalls mit [ReCiPe 2016].
Das Maß der Schonung der natürlichen Ressourcen wird im Kontext der Bioabfallverwertung von [Knappe et al. 2019] vor allem durch die Schonung von Phosphaterz und Torf bestimmt.
Zusätzlich dazu werden in der vorliegenden Studie auch die Kriterien abiotischer Abbau fossiler und mineralischer Ressourcen betrachtet. Dazu werden die Wirkungskategorien Schonung Ressourcen fossil und elementar aus [ReCiPe 2016] herangezogen.
Die einzusetzende und zu gewinnende Energie wird wie in der Vorgängerstudie über die Primärenergie (fossiler Energieträger) abgebildet. Die Schonung bzw. der Verbrauch fossiler energetischer Ressourcen wird über den Indikator „kumulierter fossiler Energieaufwand“ (KEA fossil) ausgewiesen. KEA ist ein Maß für den gesamten Verbrauch an energetischen Ressourcen, die für die Bereitstellung eines Produktes oder einer Dienstleistung benötigt werden.
Aufsummiert wird dabei der gesamte mit dem Energieverbrauch verbundene
Ressourcenverbrauch. Für den fossilen KEA wird der Energieinhalt der verbrauchten oder
„bereitgestellten“ fossilen Ressourcen Erdöl, Braunkohle, Steinkohle und Erdgas aufsummiert.
Zur Bewertung der Anreicherung von Schadstoffen haben [Knappe et al. 2019] die Einzelemissionen Cadmium und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) betrachtet. Als weitere Einzelemissionen werden in der vorliegenden Studie zusätzlich Uranemissionen betrachtet, welche vermieden werden können, wenn Phosphatdünger
substituiert wird. Diese drei Einzelemissionen spielen nicht bei jedem Verfahren eine Rolle. In dem in der vorliegenden Studie untersuchten Fall, wird die Ausbringung von Cadmium und Uran durch die Nutzung der Produkte (Kompost / Dünger) als Substitut für Phosphatdünger
vermieden. PAK-Emissionen wurden in der Vorgängerstudie bei Substitution von
Rindenprodukten vermieden, die in dieser Studie in keinem Szenario betrachtet wird. In den bilanzierten Verfahren entstehen einzig bei der Hydrothermalen Carbonisierung sowie der
3 Non Methane Volatile Organic Compounds: ein Sammelbegriff für flüchtige organische Verbindungen ohne Methan (CH4)
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Pyrolyse PAK. Nur im letztgenannten Verfahren gelangen diese in den Boden, da eine
bodenbezogene Verwertung im Fall von HTC-Kohle nicht erlaubt ist. HTC-Kohle wird in dieser Studie nur als Brennstoffersatz gesehen und entsprechend modelliert. Es existieren
verschiedene Zertifikate, die den PAK-Gehalt adressieren. Biokohle aus der Pyrolyse wird hinsichtlich ihres PAK-Wertes untersucht um bestimmte Richtwerte (z. B. EBC) zu erfüllen. Eine bodenbezogene Nutzung wird bei der Modellierung unterstellt. Eine Abschätzung der
Einbringung von PAK in den Boden wird im Ökobilanzkapitel der Pyrolyse durchgeführt.
Neben der Darstellung dieser Einzelemissionen soll auch deren Wirkung auf den Boden und dessen Ökosystem abgeschätzt werden. Dazu wird hier die Wirkungskategorie terrestrische Ökotoxizität genutzt. Die Elementarflüsse dieser Kategorie werden in 1,4-DCB4-Äquivalente umgerechnet und angegeben (mit [ReCiPe 2016]). Bei toxizitätsbezogenen Wirkungskategorien ist zu beachten, dass die Toxizitätswirkungen von Schadstoffen unterschiedlich und abhängig von Parametern, wie Konzentration, Art der Verteilung, chemischen Reaktionen, Persistenz in der Umwelt oder akutem oder genetischem Schadpotenzial sind, was einen Vergleich der Schädlichkeit über die rein emittierten Mengen nicht zulässt. Die Interpretation der Ergebnisse dieser Wirkungskategorien muss entsprechend sehr sorgfältig und im Hinblick auf die einzelnen Sachbilanzergebnisse erfolgen.
Erfahrungsgemäß wirkt sich der konkrete Nutzen, der durch das konkrete Verfahren generiert werden kann, maßgeblich auf die Ergebnisse der ökologischen Bewertung aus. Bezüglich der Nutzung von Komposten wird eine Gutschrift für den enthaltenen Dünger aus [Bulach 2015]
genutzt. Für die Bewertung des enthaltenen Kohlenstoffs wird die Gutschrift ebenfalls aus [Bulach 2015] genutzt, ohne die Strohverwertung zu übernehmen.
Ebenfalls aus den Vorgängerstudien wurden die bereits gesammelten und aus den genannten Veröffentlichungen verfügbaren Daten gesichtet und soweit möglich für die Bilanzierung verwendet. Datenlücken wurden identifiziert und durch Literaturwerte aus anderen Studien geschlossen.
3.3.2 Bewertung der Hochwertigkeit der Verwertungsverfahren
Die gesammelten Daten wurden in der Ökobilanzsoftware „openLCA“ unter Nutzung der Ökobilanzdatenbank „ecoinvent 3.4“ zu einem Stoffstrommodell zusammengefügt. Auf dieser Basis wurde die Wirkungsabschätzung mit den oben genannten Wirkungskategorien
durchgeführt.
Auf Grundlage der Ergebnisse der Ökobilanz wird beispielhaft eine Hotspot-Analyse durchgeführt und auf Besonderheiten der übrigen Systeme hingewiesen. Dabei werden die Emissionsquellen der betrachteten Verfahren identifiziert, die den größten Einfluss auf die Ergebnisse der verschiedenen Wirkungskategorien haben.
Zusätzlich werden die Indikatorergebnisse nach der UBA-Methode zusammengefasst, um für die verschiedenen Verfahren eine Rangfolge bilden zu können.
Um die Untersuchungsergebnisse aus der ökobilanziellen Betrachtung einordnen zu können, wurden diese den klassischen Bioabfallverwertungsverfahren (Kompostierung, Vergärung) gegenübergestellt. Der Input zur Bilanzierung dieser Verfahren stammt aus [Bulach 2015] (in der Vorläuferstudie waren nur Ergebnisse, aber keine Daten zur Modellierung aufgeführt). Die Inputdaten zur Ökobilanzierung der einzelnen Verfahren finden sich im Anhang.
4 1,4-Dichlorbenzol/ Paradichlorbenzol
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